Wenn ich etwas so richtig gut kann, ist das sitzen. Wirklich, ich glaube nicht, dass irgendein anderer Hund besser oder schneller sitzen kann als ich. „Schneller sitzen“ gibt es natürlich nicht. Ich meine damit, wie schnell ich sitze, wenn jemand „Sitz!“ sagt. Aber auch, wenn mir das niemand sagt, ist das Sitzen meine Allzweckwaffe.
Schon als ganz junger Hund habe ich für mich den Grundsatz formuliert: „Im Zweifel erst einmal hinsetzen!“ Und das mache ich immer, wenn irgendetwas nicht so ist, wie es meiner Meinung nach sein sollte.
Die Übersetzerin sagt manchmal: „Hätte es den alten Bundeskanzler Kohl nicht gegeben, man hätte ihn extra für Frieda erfinden müssen. Der hat auch immer alles ausgesessen.“ Ich habe gar keine Ahnung, wer Kohl ist. Kohl macht mir die Loh-Loh manchmal ins Essen, und ich sortiere ihn jedesmal ordentlich heraus. Kohl schmeckt nämlich nicht.
Ich glaube, dass ich so gut sitzen kann, hat auch etwas mit meinem Personaltraining zu tun. Ich hatte Ihnen ja schon gebellt, dass wir meine „Frustrationstoleranz“ erhöhen sollten. Dafür sollte ich sitzen. Gern auch ein paar Minuten am Stück. Ich habe überhaupt keine Ahnung, was Frustrationstoleranz ist. So lang gebellte Wörter kenne ich nicht, und ein ordentlich funktionierender Mensch benutzt die auch nicht, wenn er mit seinem Hund redet. Wir mögen es, wenn Ihr mit kurzen, klaren Worten sprecht, wenn Ihr schon nicht bellen könnt.
Das mit dem Sitzen habe ich jedenfalls gemacht, und es war auch okay für mich. Glaube ich jedenfalls, sonst hätte ich das ja nicht so zur Perfektion gebracht. Zuerst fand ich das zwar doof, weil ich ja eigentlich zu arbeiten hatte, statt herumzusitzen: Schnüffeln, fremde Hunde beschimpfen, vor aufspringenden Grashalmen weglaufen, auf meine Leute aufpassen, Nachrichten hinterlassen… Was Hunde eben so tun. Aber dann habe ich herausgefunden, dass mir nichts passieren kann, wenn ich sitze. Weil ich ja immer direkt neben der Übersetzerin gesessen habe. Und die hat fast jedes Mal gesagt: „Frieda, sitz! Ich habe die Situation unter Kontrolle.“ „Sitz!“ habe ich verstanden. Das mit der Kontrolle war schon wieder viel zu lang. Aber sie hat so gerochen, als wüsste sie, was sie tut, könnte das Aufpassen für mich übernehmen und hätte auch keine Angst vor irgendwas.
Sie glauben gar nicht, wo ich überall schon gesessen habe! Bevor wir über die Straße gehen, sitze ich. Wegen der Autos. Wenn ich eigentlich gerade jemanden verbellen will, sitze ich und rege mich wieder ab. Ich sitze, bevor es etwas zu fressen gibt. Das haben meine Leute angefangen, weil ich immer so schnell gefressen habe und sie Sorge hatten, dass ich mich dann noch über Lunas Napf hermache. Wenn es ein Leckerli geben soll, sitze ich vorher auch. Ich bekomme die ja nicht als Belohnung, sondern einfach so. Manchmal machen wir aber auch ein paar Tricks vorher. Und dann darf ich aus dem Sitzen aufspringen und das Leckerli aus der Luft fangen. Das ist fein, aber meistens vergesse ich dann das Kauen, und – schwupps! – ist es weg, ohne dass ich gemerkt habe, was es gab. Und da kann ich noch so bedürftig gucken, die Übersetzerin rückt keines mehr heraus!
Der Übersetzer hat mir beigebracht, mich nach dem Abendessen neben ihn zu setzen und meinen Kopf auf sein Bein zu legen. Dann streichelt er mich. Ich habe mir also gemerkt: Hingehen, sitzen, Kopf auf Mensch legen, gestreichelt werden. Meistens funktionieren die auch recht zuverlässig. Wahrscheinlich glauben sie, dass sie mir etwas beigebracht haben. Dass ich dann eine Gewohnheit darauf gemacht habe, haben sie nicht gemerkt. Glaube ich jedenfalls.

Die Übersetzerin will immer, dass ich mich hinsetze, wenn andere Hunde an uns vorbeigehen. Weil ich so eine Zicke bin, sagt sie. Am Anfang hat sie noch versucht, sich vor mich zu stellen, damit ich die anderen nicht sehe. Und weil uns Vanessa gesagt hat, dass die meisten Hunde es nicht leiden können, wenn man sich direkt vor sie stellt.
Aber erstens bin ich nicht blöd und gucke an ihr vorbei, und zweitens ist sie einer der wenigen Menschen, bei denen ich dieses frontale Herumgestehe aushalten kann. Jedenfalls konnte ich fast immer trotzdem Spektakel machen. Und weil die Übersetzerin auch nicht blöd ist, klemmt sie mich neuerdings zwischen ihren Beinen ein und sagt: „Wenn du jetzt keine Luft mehr bekommst, bist du selbst schuld!“ Und dann sitze ich da, bis die anderen Hunde vorbei sind. Ist nicht so toll, aber sie hat noch nicht herausgefunden, was sie außer Sitzen machen kann. Also außer, dass ich sitze. Wenn sie sitzt, nützt es ja nichts.
Anmerkung der Übersetzerin: Ich gebe zu, das Festklemmen ist nicht besonders elegant und pädagogisch wahrscheinlich auch nicht wertvoll. Aber es funktioniert. Und bei den vielen Hunden, die Frieda nicht leiden kann, ist mir etwas Zuverlässiges, das nicht elegant ist, lieber als etwas Elegantes, das nicht zuverlässig funktioniert. Ich hoffe auf die nächsten Personaltrainings. Und die, meine liebe Frieda, wird es geben! Obwohl ich weiß, dass der Herdenschutzhundanteil in Dir es recht lästig, vor allem aber unnötig findet, wenn er etwas vorgeschrieben bekommt…
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